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Misophonie: Wenn alltägliche Geräusche zur Belastung werden

Manche Menschen können es kaum ertragen, wenn jemand laut kaut, schmatzt, schnarcht oder mit dem Stift klickt. Für sie sind solche Geräusche nicht einfach nur lästig – sie können Wut, Ekel oder sogar Panik auslösen. Dieses Phänomen nennt sich Misophonie, und obwohl es viele betrifft, ist es noch wenig bekannt.

Was genau ist Misophonie eigentlich?

Das Wort kommt aus dem Griechischen und bedeutet so viel wie „Geräusch-Hass“. Aber es geht nicht um Lautstärke im Allgemeinen – wie bei einer Geräuschüberempfindlichkeit (Hyperakusis) – sondern um eine starke, emotionale Reaktion auf bestimmte leise Töne.

Misophonie ist (noch) keine offiziell anerkannte Diagnose, aber die Belastung für die Betroffenen ist real. Viele wissen jahrelang gar nicht, dass ihr Leiden einen Namen hat.

Wie viele sind betroffen?

Zahlen gibt es kaum, weil Misophonie noch nicht als eigenes Krankheitsbild gilt. Schätzungen sprechen von bis zu 15 % der Bevölkerung, die mehr oder weniger stark betroffen sein könnten – viele davon ohne therapeutische Begleitung. Besonders häufig beginnt es schon im Kindes- oder Jugendalter.


Welche Geräusche sind typische Auslöser?

Es geht meistens nicht um laute, sondern um leise, sich wiederholende Geräusche – oft von Menschen verursacht. Zum Beispiel:

  • Ess- und Schluckgeräusche
  • Rascheln von Papier
  • Schnarchen oder Atmen
  • Summen, Pfeifen
  • Klackern von Schuhen oder Fingernägeln
  • Stiftklicken oder Kaugummikauen

Interessanterweise spielt nicht nur das Geräusch an sich eine Rolle – sondern auch, wer es verursacht. Ein Ton, der von einer bestimmten Person kommt, kann schlimmer empfunden werden als der gleiche Ton von jemand anderem.





Wie reagiert man auf solche Trigger?

Die Reaktionen fallen oft extrem aus – körperlich wie seelisch:

  • Herzklopfen, Zittern
  • Hitzewallungen, Schweiß
  • Aggression oder innerer Fluchtimpuls
  • Gereiztheit, Konzentrationsprobleme
  • Rückzug, Scham, Isolation

Viele wissen, dass ihre Reaktion überzogen wirkt – doch sie können nichts dagegen tun. Genau das macht die Situation oft noch belastender.

Wenn Beziehungen darunter leiden

Misophonie kann auch das soziale Leben beeinflussen. Wer ständig bestimmten Geräuschen ausgesetzt ist – sei es beim Essen mit der Familie oder im Büro – zieht sich irgendwann zurück. Gespräche werden vermieden, Einladungen ausgeschlagen, gemeinsame Mahlzeiten zur Qual.

Wenn das Umfeld nichts von der Misophonie weiß, kommt es leicht zu Missverständnissen. Dann wirkt man plötzlich „komisch“ oder überempfindlich – was zusätzlichen Stress verursacht.


Was weiß die Forschung bisher?

Erst in den letzten Jahren ist Misophonie in den Fokus der Wissenschaft gerückt. Studien zeigen: Bestimmte Hirnregionen, vor allem im sogenannten Inselcortex, reagieren bei Betroffenen besonders stark auf Triggergeräusche. Dieses Areal ist unter anderem für Emotionen zuständig.

Es gibt auch Hinweise darauf, dass Misophonie bei Menschen mit anderen neurologischen Besonderheiten wie ADHS, Autismus oder Zwangsstörungen häufiger vorkommt.



Wie stellt man eine Diagnose?

Da Misophonie bisher keine offizielle Krankheit ist, gibt es auch keinen Standard-Test. Trotzdem können Fachleute – etwa aus der HNO, Psychologie oder Hörakustik – mit gezielten Fragen einen guten Eindruck gewinnen:

  • Welche Geräusche stören besonders?
  • Seit wann gibt es diese Reaktionen?
  • Wie stark beeinträchtigen sie den Alltag?
  • Gibt es körperliche Symptome?

Eine gute Einschätzung hilft dabei, passende Wege zur Entlastung zu finden.

Was kann helfen?

Es gibt zwar keine Patentlösung, aber verschiedene Ansätze können spürbar helfen:

  1. Verhaltenstherapie:
    Hier geht es darum, die eigenen Reaktionen besser zu verstehen und mit der Zeit gezielter zu beeinflussen.
  2. Achtsamkeit & Entspannung:
    Atemübungen, Meditation oder Muskelentspannung können helfen, weniger schnell zu überreizen.
  3. Geräuschmaskierung:
    Manche nutzen kleine Geräte oder Apps, die angenehme Hintergrundgeräusche erzeugen – so rücken die störenden Töne in den Hintergrund.
  4. Umgebung anpassen:
    Geräuschdämmung, leise Tastaturen oder Noise-Cancelling-Kopfhörer sind keine Wunderwaffe – aber sie können den Alltag erleichtern.


Wo finde ich Unterstützung?

Wenn du betroffen bist, kann ein Besuch bei spezialisierten Hörakustiker*innen wie Hörland ein guter erster Schritt sein. Sie bieten nicht nur Technik, sondern auch Verständnis und individuelle Beratung. Gemeinsam lassen sich Lösungen finden, die im Alltag wirklich funktionieren.


Fazit

Misophonie ist keine Einbildung – und schon gar kein Zeichen von „Empfindlichkeit“. Sie kann das Leben stark beeinträchtigen, aber es gibt Wege, damit besser umzugehen. Wichtig ist: Du bist nicht allein. Und Hilfe ist möglich – sei es durch Therapie, Technik oder Verständnis aus dem Umfeld.




FAQ – Häufig gestellte Fragen zu Misophonie

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